Tasting: Aus aller Welt 2016

Tasting: Aus aller Welt 2016

Dass Whisky aus Nordwest-Europa stammt, ist ja ziemlich unbestritten. Unter Historikern gibt es höchstens unterschiedliche Meinungen darüber, ob die ersten Brenner aus Irland oder Schottland kamen. Wobei das ziemlich unwichtig ist, weil die heutigen Staatsgrenzen ohnehin viel jünger sind als das Produkt, das sich weit über diese Grenzen hinaus großer Beliebtheit erfreut.

So beliebt, dass man sich auch anderswo in der Welt daran gesetzt hat, Whisky zu produzieren. Die nordamerikanischen Staaten haben da wohl die größte Tradition vorzuweisen, aber auch in Asien und Europa gibt es eine Reihe weiterer Hersteller. Und einige davon waren Thema des kürzlichen Tastings bei malt'n'taste, das wie immer im Gasthaus Zur Linde in Neu-Anspach stattfand.

Diesmal hatte Michael sechs Whiskies aus sechs verschiedenen Ländern zusammengestellt, die einen schönen Überblick darüber gaben, wie man das Thema "Whisky" anderswo in der Welt interpretiert. Denn trotz immer wieder auftretender Anzeichen von Verwandtschaft gibt es diverse Unterschiede, die mal in der Mentalität des Herstellers, mal im verwendeten Material und mal im Wetter und Klima des Herstellerlandes begründet liegen. Wer sein Whiskyherz ganz und gar dem schottischen Single Malt Whisky verschrieben hat, dem mag das alles "spanisch" vorkommen - im Sinne von "nicht-schottisch", denn einen spanischen Vertreter hatten wir diesmal nicht am Start. Wer aber Whisky in allen seinen Spielarten schätzt und sich die Neugier auf andere Spielarten erhalten hat, der bekam bei diesem Tasting reichlich Gelegenheit, seinen Horizont zu erweitern und feine Tropfen zu genießen.

Schottland: Der Start im vertrauten Umfeld

Wer Michael kennt, der weiß, dass er Ausflüge in ungewohnte Whiskyregionen gerne mit einem Klassiker startet, um die Zunge zu eichen und eine Art Sprungbrett in neue Gefilde zu haben. Das war in der Vergangenheit schon mal ein Glen Grant 10 yrs, der mit seinen ganz klassischen Noten exzellente Vergleiche ermöglicht. Diesmal gab es vorweg einen anderen Vertreter aus der Speyside, den Glenfarclas Heritage, mit 40%, ohne Altersangabe und vermutlich aus einer Mischung aus Sherry- und Ex-Bourbon-Fässern komponiert.

Den haben wir jetzt nicht detailliert mit Notes versehen, es ging ja eher darum, ein Gefühl für den Start unserer Reise zu bekommen. Trotzdem kann ich Gerste, Nüsse, und herbe Früchte erwähnen, die auf Anhieb zu riechen und schmecken waren. Intensive Sherrynoten fehlten, ich tippe darauf, dass die betreffenden Fässer vorher einen eher trockenen Sherry wie Amontillado oder Manzanilla beherbergt haben. Genaueres war dem Etikett nicht zu entnehmen. Aber vielleicht möchte ich diesen Whisky irgendwann nochmal einzeln unter die Lupe nehmen.

Neuseeland: Da war doch noch was ...

Auch wenn Neuseeland heutzutage hauptsächlich wegen der Drehorte aus den "Herr-der-Ringe"-Filmen in den Medien präsent ist, ist das Land auch für Whiskyfreunde von Interesse. Es gab auf der Südinsel des zweigeteilten Inselstaats von 1968 bis 1995 (oder 1997, da habe ich widersprüchliche Angaben gefunden) eine Destillerie namens Willowbank. Während der Existenzzeit der Destillerie gab es keine Abfüllungen, aber Jahre später (nachdem die Destilleriegebäude schon wieder abgerissen waren) kaufte eine Firma die Restbestände (dem Vernehmen nach knapp 500 Fässer) auf und vermarktet den Whisky seitdem in Kleinserien. Der Milford 20 yrs ist eine dieser Kleinserien. Man hat ihn auf leichte 43% Trinkstärke verdünnt und als "Limited Edition" auf den Markt gebracht.

  • Colour: M6 (Ocker) - zu hell für Sherryfässer, würde ich sagen.

  • Nose: Als erstes finden wir Früchte. Nicht frisches Obst, auch keine Trockenfrüchte, eher Dosenfrüchte, vielleicht (aber nicht sicher) Birnen. Außerdem sind die Aromen angenehm würzig, sie erinnern ein Bischen an frisches Popcorn. Nach der Vermutung "kein Sherry" anhand der Farbe hätte ich eigentlich Holz- und Vanillenoten erwartet, wie man sie aus Ex-Bourbon-Fässern kennt. Die finde ich aber nicht. Vielleicht ist man auf der Südhalbkugel ja auch ganz andere Wege bei der Fassauswahl gegangen ...

  • Taste: Aha, jetzt aber! Auf der Zunge sind die Holznoten nun da zusammen mit einem leicht bitteren Ton. Außerdem finde ich Tabak, vielleicht aromatisierten Pfeifentabak. Und man schmeckt das Alter, wenn der Whisky den seitlichen Mundraum geradezu austrocknet.

  • Finish: Der Abgang ist sehr weich und recht kurz. Laut Beschreibung soll das Finish an weiche Lowland-Malts (z.B. Glenkinchie) erinnern. Den habe ich jetzt noch nicht getrunken, also fehlt mir der konkrete Vergleich. Aber vorstellen kann ich mir das schon. Vielleicht finde ich bei Gelegenheit mal ein Sample von einem Glenkinchie.

  • Der Whisky in der Whiskybase: 24963

Österreich: Whisky aus dem Weinland

Der Landstrich im niederösterreichischen Donautal ist bekannt für seine Weine und Kulturdenkmäler wie das Stift Melk. Aber auch Whisky wird dort destilliert, und zwar bei dem Familienunternehmen Wieser, dass hauptsächlich Obst zu süßen oder hochprozentigen Erzeugnissen verarbeitet, aber eben auch schon mal Getreide zu - eben - Whisky brennt. Wir hatten den Single Malt WIESky 7 yrs im Glas, der im Pinot Noir Cask gereift (nicht nur gefinished) ist. Der Whisky trägt übrigens noch die Bezeichnung "Uuahouua". Ich weiß noch, dass es damit eine bestimmte Bewandtnis hatte, aber ich habe den Zusammenhang vergessen. (Nachtrag: "Uuahouua" ist eine alte Bezeichnung für „Wachau“.)

  • Colour: M4 (Bernstein)

  • Nose: Hier erwartet uns eine ganze Kaskade an Düften, wenn auch klassische Whiskyassoziationen fehlen. Uhu und andere Kleber finde ich, und Gerüche, die mich an die Schusterei erinnern: Leder, Leim, neue Schuhe. Außerdem sind sowohl süße (von Leder und Leim) und saure Noten da. Letztere nehmen den Geschmack ein wenig vorweg, denn dort ...

  • Taste: ... finde ich hauptsächlich Obst. Saure Äpfel und eher fruchtige Birnen. Der Geschmack erinnert ein Bischen an einen Obstbrand, was bei der Herkunft ja vielleicht auch nicht verwundert.

  • Finish: Der Abgang ist weich und - auch hier - fruchtig.

  • Der Whisky in der Whiskybase: 42740

Deutschland: Ein Holzklotz mit Gefühl

Der letzte Whisky vor der üblichen Pause führte uns nach Bayern. Am Schliersee brennt die Destillerie Slyrs schon recht lange Whisky, und der im letzten Jahr erstmalig aufgelegte Slyrs 12 yrs, 43%, kam 2016 in einer neuen Edition auf den Markt, in einer aus einem massiven Holzklotz gefrästen Verpackung und mit dem Sample - der Sammler lässt seine Flaschen gerne zu - gleich inklusive. Der Verkauf der Charge soll auch ohne aktive Werbung zu Schlangenbildung vor der Destillerie geführt haben. Ob Michael sich auch vor Ort angestellt hat, weiß ich nicht, aber er schenkte uns den dergestalt mit Vorschusslorbeeren bedachte Tropfen aus.

  • Colour: M8 (Kupfer)

  • Nose: Nun ja, diee oben erwähnten Lorbeeren waren natürlich nicht zu riechen, aber dafür werde ich mit einer ganzen Lawine von Düften bombardiert: Nüsse, Früchte, Pflaumen, Kaffee, Vanille. Das ist schon klasse.

  • Taste: Auf der Zunge scheint es sich dann ein wenig auf die nussigen Noten zu konzentrieren. Ich schmecke Nüsse, ein cremiges Gefühl auf der Zunge, fast wie Nutella, dazu würzige Noten, vielleicht Muskat. Und viel Süße, erinnert an einen Likör.

  • Finish: Das Finish schließlich ist lang und weich, und die nussigen Noten sind immer noch da.

  • Der Whisky in der Whiskybase: 80785

Schweden: Nichts für (Blumen)kinder

Die schwedische Destillerie Mackmyra ist eine architektonische Besonderheit. Hier sind alle Elemente der Whiskyherstellung so konstruiert und angeordnet, dass das Produkt immer aus eigener Kraft fließen kann und nie gepumpt werden muss. Das heißt natürlich nicht, dass der Whisky "heruntergekommen" wäre - ganz im Gegenteil! Der Macmyra Blomstertid 46,1%, wurde in einer Mischung aus amerikanischer Eiche, Oloroso und PX Fässern gelagert, sein Finish hat der Whisky in Kirschweinfässern erhalten. "Blomstertid" heißt übrigens sowiel wie "Blumenzeit" - passend zum Frühjahr, in dem der Whisky abgefüllt wurde.

  • Colour: M8 (Kupfer) - aber etwas rötlicher als der Slyrs.

  • Nose: Auch der Blomstertid riecht recht würzig und weich. Außerdem nach Schokolade, Kirschen und Beeren. Und ein paar Zitrusnoten sind auch noch da.

  • Taste: Am Gaumen verschwindet die Würzigkeit etwas - ein paar Bitternoten sind noch da. Hier übernehmen süße Früchte das Kommando, vor allem Kirschen. Intensive Süße, fast wie Likör. Und viele schwer zu beschreibende Noten, die das ganze zu einem sehr komplexen Geschmackserlebnis werden lassen.

  • Finish: Der Abgang ist lang und fruchtig.

  • Der Whisky in der Whiskybase: 80428

Schweiz: Flaschenspiele mit Zahlendrehern

"Wir haben hier die Flaschen 106 und 107 von 105." Da regte sich auch beim fünften Whisky des Abends noch spontaner Widerspruch im Saal. - Natürlich hatte sich Michael nur versprochen. Es gab 108 Flaschen des Säntis Malt 5 yrs mit 48%, genauer gesagt der Private Cask Selection aus Cask #7725. Die 108 Flaschen wurden exklusiv für Whisky-in-Wiesbaden abgefüllt.

  • Colour: M10 (Hennarot)

  • Nose: Die Sherry-typischen Noten wie Rosinen oder Trockenfrüchte überwiegen, aber der erste Eindruck ist ein ganz anderer: das erinnert an Reifen und Gummi. Ganz kurz nur, bevor der Sherry übernimmt, aber deutlich.

  • Taste: Auch im Mund beginnt der Genuss mit einem Paukenschlag: Pfeffer! Einen Moment lang wirkt der Whisky geradezu scharf, dann mischt sich wieder die Sherrywelt in die Komposition. Und dann ... hmm, ist da eine Biernote? Vielleicht gar schales Bier? Nein, wohl doch nicht. Da hat mich wohl die Destilleriegeschichte (eigenlich eine Brauerei, der Whisky wird überwiegend in alten Bierfässern gelagert) ein bischen gefoppt. Kann zur fortgeschrittenen Zeit wohl mal passieren. Was ich mir allerdings nicht eingebildet habe, ist der Effekt, den dunke Schokolade auf den Whisky hat: plötzlich schmeckt er sehr peffrig, um danach schön weich, geradezu sanft zu werden.

  • Finish: Mittellang, die Sherrynoten klingen nach, außerdem ganz leicht bitter.

  • Der Whisky in der Whiskybase: 70246

USA: Auswanderermitbringel

Natürlich sind nicht die Auswanderer aus Schottland für den Geschmack des McCarthy's Oregon Single Malt Whiskey verantwortlich, aber eine wichtige Zutat des Batch W15-01 (42,5%, bottled: 30.03.2015) kommt schon aus der alten Heimat des Single Malt: die Gerste wurde in den Port Ellen Maltings auf Islay gemälzt und zur Whiskyproduktion nach Oregon transportiert. Und das schmeckt man ...

  • Colour: M5 (Senf)

  • Nose: Wer die rauchigen Malts von Islay mag, der wird sich hier sofort zu Hause fühlen: die Nase wird geflutet mit Rauch, Torf, würzigen und maritimen Noten. Der Eindruck von Wärme macht sich breit. Und vielleicht eine Ahnung von geräuchertem Schinken.

  • Taste: Und auch auf der Zunge findet sich viel Vertrautes für den Torfkenner: Rauch, Salz, Holz, bittere Noten, Holz. Klassisch und lecker.

  • Finish: Der Abgang hält sich mittellang und ist ebenfalls von rauchigen Noten geprägt. Ich meine auch noch eine leichte Holznote wahrgenommen zu haben, aber das in den abklingenden Aromen in der Atemluft schwer zu identifizieren.

  • Der Whisky in der Whiskybase: 86993

Von der Reise zurück

Wir waren in Schottland gestartet, und irgendwie sind wir zum Schluss auch dorthin zurückgekehrt. Dazwischen lagen viele Eindrücke, die wenig mit dem klassischen Verständnis von "Scotch" zu tun haben, und doch sehr viel mit Whisky. Die Bandbreite an Aromen und Kompositionen ist bei Whisky einfach viel breiter als in der klassischen schottischen Welt zu finden ist. Ich kann nur empfehlen, sich einmal (und immer wieder) auch auf die "Ausländer" einzulassen. Nicht jeder Whisky wird die Neugier und die Erwartungen erfüllen, aber mal ehrlich: das tut auch nicht jeder schottische Whisky. Der Einstieg über ein kurzweiliges, amüsantes und nicht zuletzt mit Informtionen gespicktes Tasting sollte es jedem leicht machen, seine Whiskywelt zu erweitern.

Zum Veranstalter gehts hier: malt'n'taste

Whisky ist ein alkoholisches Getränk. Gehen Sie verantwortungsbewußt damit um. Genießen Sie Qualität in kleinen Mengen. Gefährden Sie nicht Ihre Gesundheit.

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