Alle Artikel vom 21. Februar 2016.

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Ledaig 2008 Signatory Un-Chillfiltered Collection

Ledaig 2008 Signatory Un-Chillfiltered Collection

Mein erster Besuch in Schottland führte mich auf die Insel Mull. Das war 1990 und ist jetzt schon ganz schön lange her. Damals war ich noch Student, und als solcher hatte man mehr Zeit als heutzutage. Na, um ehrlich zu sein: man nahm sie sich einfach, aber auch das ging damals einfacher als heute.

Ich besuchte damals eine Freundin, die ihrerseits zu Besuch bei einer ehemaligen Lehrerin war, die nach Ihrer Pensionierung nach Mull gezogen war. Ich hatte also das Glück, statt im Hotel bei Einheimischen (OK, Zugereisten) privat zu übernachten. So bekam ich sicherlich mehr von der Insel mit als es bei einem Aufenthalt als klassischer Tourist möglich gewesen wäre. Wir besuchten Freunde der Gastgeberin in einem Cottage, eine ganze Wegstrecke vom nächsten Haus entfernt, aber dafür unmittelbar an einer wunderschönen Seitenbucht von Loch Scridain. Wir waren zum Abendessen bei Nachbarn, wo der "Hausherr" als alter Seebär regelmäßig die Gezeiten protokollierte und dem kein Schiff entging, das im Sound of Mull sein Wohnzimmerfenster passierte. Und natürlich durfte ein Besuch in Tobermory nicht fehlen. Alles in allem waren das fünf Tage, die mir diese Insel sehr sympathisch gemacht haben. Übrigens dürfte dazu auch beigetragen haben, dass ich während der ganzen Zeit keinen Tropfen Regen gesehen habe ...

Whisky war damals noch gar nicht mein Thema. Das kam erst viel später. Ein erneuter Besuch in Schottland 1996 (Edinburgh, Skye, Mull) mit Destilleriebesuchen in Aberfeldy und bei Talisker hat wohl das seinige dazu beigetragen. Aber die Begeisterung für die Whiskies aus Tobermory (sowohl die ungetorften Tobermories als auch die getorften Ledaigs) brach erst letztes Jahr so richtig aus, als wir die Anreise zur Schiffstour nach Islay um einen Tagesausflug nach Mull ergänzten. Tolle Destillerieführung, wunderschöner Ort, (wieder mal) Traumwetter, und dann der Whisky ...

Seitdem habe ich immer wieder ein Auge auf die Abfüllungen von Mull, und nachdem auch Bekannte und Kollegen auf meine Vorliebe aufmerksam geworden sind, kommt auch aus dieser Richtung gelegentlich ein Tipp. So auch der Hinweis auf den nur siebenjährigen Ledaig 2008 aus der Un-Chillfiltered Collection von Signatory. Es handelt sich um eine vergleichsweise preiswerte Einzelfassabfüllung, destilliert am 21.02.2008 und abgefüllt am 20.07.2015 mit 46%. Das Fass war ein Hogshead mit der Nummer 800024, und der Farbe nach zu urteilen dürfte es sich um ein mit Bourbonwhisky vorbelegtes Fass gehandelt haben - wenn überhaupt. Jedenfalls wurde der Whisky nicht nachgefärbt, und übrigens auch nicht kühlgefiltert. Na gut, sonst hätte er ja auch nichts in der Un-Chillfiltered Collection zu suchen. Die Flaschennummer ist die 4(!), leider ist nirgends vermerkt, von wie vielen. Auch die Whiskybase schweigt sich dazu aus.

Colour: C3 (Stroh)

Nose: Das geht ja gut los. In der Nase ist der Ledaig kraftvoll und scharf. Der Rauch ist intensiv und nicht ganz so ölig wie bei anderen Ledaigs (insbesondere denen aus Sherryfässern). Hefe, Gras und Holz herrschen vor und vermitteln einen sehr frischen Eindruck. Dahinter ein wenig Harz und Jod. Und Vanille? Ich weiß nicht. Die sollte bei einem Bourbon-Fass ja auch nicht fehlen. Ich finde sie aber höchstens andeutungsweise. Vielleicht ist das Fass doch ein ganz frisches gewesen?

Taste: Auf der Zunge ist der Whisky erstaunlich leicht, recht ausgeglichen und salzig. Außerdem weiß ich jetzt, was der ursprüngliche Autor des Tastingsheets, das ich verwende, mit "trocknend" gemeint hat. Ich hatte tatsächlich das Gefühl, dass meine Zunge kurz nach dem Schluck trocken war. Die frischen Duftnoten von Holz und Gras sind auch im Geschmack zu finden, dazu Zitrusschale und - natürlich - Rauch. Vanille? Wieder Fehlanzeige.

Finish: Der Abgang ist mittellang und nicht übermäßig bemerkenswert. Hauptsächlich Rauch.

Insgesamt ist der Ledaig kein sonderlich komplexer Whisky. Ihn als einfach zu bezeichnen, wird ihm aber auch nicht gerecht. Er ist halt - anders. Ich finde ihn durchaus reizvoll, das ist beileibe kein Alltagswhisky. Aber damit allein hätte ich mich nicht so für die Whiskies von Mull begeistert.

Wertung:

Zur Destillerie gehts hier: Tobermory

Springbank 15 yrs Private Bottling

Springbank 15 yrs Cologne Trust

Gelegentlich stößt man auf Besonderheiten, mit denen man überhaupt nicht gerechnet hatte. Oder man wird darauf gestoßen. So ging es mir vor einiger Zeit. Ein alter Freund, von dem ich schon lange nichts mehr gehört hatte (außer dass es eine dieser schlafenden Facebook-Bekanntschaften gab - "geklickt und vergessen") hatte meine Posts zum Thema Whisky registriert und mir eine Überraschung angekündigt, wenn wir uns mal wieder sähen. Die Gelegenheit ließ ich mir nicht entgehen: das Treffen war schnell vereinbart, und die Überraschung stellte sich als exzellenter Whisky aus einer Privatabfüllung heraus.

Vor einigen Jahren wollte Springbank sich vergrößern (ein neues Warehouse, glaube ich), ohne Fremdkapital ins Unternehmen zu holen. Stattdessen wurden Fässer an Kunden verkauft. Besagter Freund tat sich mit einigen Bekannten zusammen und investierte in ein Sherryfass, das befüllt und in der Destillerie eingelagert wurde. Da man sich nach zehn Jahren nicht einig wurde, was man denn jetzt mit dem guten Tropfen tun sollte, wurde erstmal auf Zeit gespielt und die Lagerung fortgesetzt - zweimal, um genau zu sein. Nach dann 15 Jahren wurde dann abgefüllt, versteuert, verschifft und ausgeliefert, bis bei den zwei verbliebenen Partnern je etwa 350 Flaschen im Keller standen.

Die Vorräte sind mittlerweile verkauft, verschenkt und getrunken, und ich habe glücklicherweise einen kleinen Teil davon abbekommen.

Der Whisky wurde im Mai 1998 destilliert und im August 2013 mit Fassstärke von 58,1% abgefüllt. Das Fass trug die Nummer 145 und war als "Fresh Sherry" gekennzeichnet. Ich deute das so, dass das Fass unmittelbar vorher - also ohne andere "Gäste" dazwischen - mit Sherry gefüllt war. Die Etiketten der Flaschen sind im wesentlichen Standardetiketten von Springbank, aber ein Bereich stand zur freien Verfügung der Kunden und ist mit dem Schriftzug "Private Bottling for Cologne Single Malt Trust" versehen. Diesen "Trust" gibt es so natürlich nicht, es handelt sich um eine hübsche Fantasiebezeichnung. Immerhin weist der Hinweis auf die Herkunft in die richtige Richtung.

Colour: M9 (Terracotta)

Nose: Die Fassstärke spürt man schon in der Nase. Das ist kraftvoll, geradezu kribbelnd. Natürlich kommt der Alkohol durch, auch der Sherry ist deutlich. Darüber hinaus finde ich Zitrusfrüchte und - ungewöhnlich - auch deren Schale mit einem Anklang an die ätherischen Öle, die sonst in der Weihnachtszeit durchs Zimmer ziehen. Ein paar Nelken sind da, eine Idee von irgendwelchen exotischen Früchten und Pfeifentabak (nicht brennend, sondern frisch aus der Dose). Mein Vater hatte früher zwei Gläser davon im Schrank stehen, obwohl er seine Experimente als Pfeifenraucher schnell wieder aufgegeben hat. Daran fühlte ich mich erinnert, es war wie ein kleiner Ausflug in die Kindheit.

Taste: Auch auf der Zunge wirkt der Alkohol zunächst recht dominant, der Whisky ist kraftvoll und hat diese Öligkeit, die die Zunge belegt. Auch der Sherry ist nach wie vor stark, dazu ein wenig dunkle Schokolade. Der Gesamteindruck ist reichhaltig und kräftig. Interessant (und sehr lecker) finde ich, dass die Süße irgendwann aus dem Geschmacksbild verschwindet und einem eher herben Bild Platz macht, so als ob der Sherry, der das Fass geprägt hat, ein trockener Vertreter (Fino?) gewesen ist. Ich kann mich nicht erinnern, schon mal was über die Verwendung von Finofässern im Whiskyausbau gelesen zu haben, aber das muss ja nichts heißen.

Finish: Der Abgang ist sehr lang, warm und feurig. Der Whisky bleibt aber mehr auf der Zunge, er will da irgendwie gar nicht weg. Der sonst typische Übergang des Geschmacksempfindens in die Atemluft fällt deshalb weniger stark aus.

Wasser: Bei einem Whisky mit dieser Stärke und Intensität bietet es sich natürlich an, mit ein paar Tropfen Wasser zu experimentieren. In der Nase hat das recht gut spürbare Auswirkungen, die Tabak- und Gewürznoten kommen mehr in den Vordergrund. Auf der Zunge tut sich aber kaum etwas. Vielleicht wird der Sherry etwas deutlicher, und die Fruchtnoten aus der Nase schaffen es ein bischen bis auf die Zunge, aber den bei anderen Whiskies oft anzutreffenden Effekt, dass Wasser weitere Aromen erst sichtbar macht, den vermisse ich hier. nun ja, vermissen ist vielleicht nicht ganz richtig. Er ist einfach nicht da. Aber so richtig stören tut mich das nicht. Jeder Whisky ist halt anders, und ich bin sehr froh, auch diese Besonderheit im Regal stehen zu haben.

Wertung:

Zur Destillerie gehts hier: Springbank

Whisky ist ein alkoholisches Getränk. Gehen Sie verantwortungsbewußt damit um. Genießen Sie Qualität in kleinen Mengen. Gefährden Sie nicht Ihre Gesundheit.

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